Christopher Mies (32/Düsseldorf) wurde 2016 ADAC GT Masters-Champion und hat in der laufenden Saison erneut Titelchancen. Vor dem vierten der sieben Rennwochenenden der Deutschen GT-Meisterschaft auf dem Lausitzring (10.–12. September) liegt er mit seinem Teamkollegen Ricardo Feller (21/CH) auf dem dritten Tabellenrang. Das deutsch-Schweizer Duo startet auf einem Audi R8 LMS von Montaplast by Land-Motorsport. Für den Rennstall aus dem Westerwald fährt Christopher Mies bereits seine sechste Saison in Folge im ADAC GT Masters.
Herr Mies, Sie liegen aussichtsreich im Titelkampf des ADAC GT Masters und zählen damit zum engsten Kreis der Meisterschaftskandidaten. Warum läuft es für Sie jetzt deutlich besser als in den vergangenen Jahren?
„Zum einen habe ich mit Ricardo Feller in diesem Jahr einen absoluten Top-Teamkollegen. Das halte ich für den ausschlaggebenden Punkt – eine gute, harmonische Fahrerkombination. Wo beide auf Augenhöhe sind und sich stetig pushen, sich gegenseitig vorantreiben. Zum anderen hatte mein Team 2020 durch die Corona-Pandemie kein einfaches Jahr. Über den letzten Winter hat Montaplast by Land-Motorsport dann aber umso härter gearbeitet. Deshalb sind wir in der Saison 2021 auf jeden Fall besser vorbereitet. Insgesamt, als Team und Fahrerkombination, sind wir besser aufgestellt.“
Wie schätzen Sie Ricardo Feller als Fahrer ein?
„Unheimlich stark! Ich kenne ‚Ricky‘ schon seit 2017. Damals war er als Sechzehnjähriger der bis dahin jüngste Starter im ADAC GT Masters. In Amerika sind wir in der IMSA dann erstmals zusammen für Land-Motorsport gefahren. Da war er schon sehr stark, hat aber nur einfach Gas gegeben. Inzwischen ist er ein viel kompletterer, sehr gereifter Rennfahrer.“
Worin ist er Ihnen am ähnlichsten als Rennfahrer?
„Wir sind uns nur insofern ähnlich, dass wir den gleichen Fahrstil bevorzugen.
Was bedeutet das konkret?
„Wenn ich das verrate, verrate ich ja unsere Tricks.“
Nicht, wenn Sie Ihre grundsätzlichen Vorlieben bei der Fahrzeugabstimmung nennen.
„Na gut, ich sag dazu hier so viel: Wir mögen beide kein Untersteuern.“
Trotz einiger Aufs und Abs fahren Sie bereits Ihre sechste Saison im ADAC GT Masters für Montaplast by Land-Motorsport. Kein anderer Fahrer der Deutschen GT-Meisterschaft hat seinem Rennstall bisher so lange die Treue gehalten. Was schätzen Sie so an dem Team?
„Ich fühle mich bei Montaplast by Land-Motorsport einfach wohl. Das passt menschlich und technisch hervorragend. Vor allem das Menschliche ist mir sehr wichtig für mein Wohlgefühl. Ich fahre lieber mit einem technisch weniger guten Auto in einem menschlich intakten Team als umgekehrt. Auch wenn es mal nicht so gut lief bei uns, ich habe nie an unserem Team gezweifelt, habe mich dort nie unwohl gefühlt. Ob mit Teamgründer Wolfgang Land, Teamchef Christian Land, Technikleiter Achim Becker oder den Mechanikern, ich kann mit jedem dort ganz offen über alles reden.“
Was zeichnet den Rennstall besonders aus?
„Montaplast by Land-Motorsport kümmert sich rundum sehr gut um seine Fahrer. Sie sind nicht nur bei der Fahrzeugvorbereitung und bei den Renneinsätzen ein höchst professionelles und qualifiziertes Topteam. Sie achten auch sehr, sehr genau auf andere, für Spitzenleistungen im Cockpit wichtige Voraussetzungen: auf die passende Ernährung, auf passende Rückzugsmöglichkeiten und Ruhezeiten zwischen Trainingssessions und Rennstints. Das ist für mein Wohlfühlen wichtig. Immerhin bin ich ja auch schon ein bisschen älter …“
Ist für Sie Kontinuität in Sachen Team wichtiger als in Sachen Fahrerkollege?
„Auf den Fahrerkollegen habe ich naturgemäß nicht viel Einfluss im Motorsport. Da spielen ja sehr viele Faktoren mit, die ich nicht beeinflussen kann.“
Wie gern würden Sie sich mit Ricardo Feller über 2021 hinaus ein Auto teilen?
„Natürlich sehr gerne! Aber ich gehe davon aus, dass ‚Ricky‘ aufgrund seiner hervorragenden Leistungen bald auch einen Vertrag als Werksfahrer bekommen wird. Auf jeden Fall sollte dieser Junge einen Werksfahrer-Vertrag bekommen, ganz klar! Doch dann ist fraglich, ob wir beide auch weiterhin bei ein und demselben Team zum Einsatz kommen.“
Was ist für Sie beide im Titelkampf des ADAC GT Masters drin?
„Drin ist für uns alles. Es kommt drauf an, weiterhin möglichst gute Ergebnisse und möglichst viele Punkte zu sammeln. Und darauf, sich nicht verrückt machen zu lassen, ruhig zu bleiben. Dann läuft das Ding von alleine.“
Wie sehr nutzen Ihnen jetzt Ihre Erfahrungen aus früheren Titelkämpfen?
„Gerade wenn es zum Finale hingeht, bist du aufgrund deiner Erfahrungen ruhiger und entspannter. Ich weiß, wie es sich anfühlt, im Saisonendspurt unter besonderen Druck zu stehen.“
Was ist auf Fahrerseite das Entscheidende beim Endspurt im ADAC GT Masters?
„Es geht vor allem darum, auch unter diesem erhöhten Druck dein gesamtes Können abrufen zu können. Unter erhöhtem Druck bist du ja generell angespannter, nervöser und so passieren dir leichter Fehler. Deshalb musst du all deine Emotionen im Griff haben und einfach deinen Job machen. Das klingt einfacher, als es ist, weil so eine besondere Situation wie das Saisonfinale des ADAC GT Masters deine Gedanken stärker als sonst anspannt und auch öfter als sonst abschweifen lässt. Ich denke: Wenn du das nicht nur weißt, sondern auch schon kennst, ist es leichter, das hinzukriegen.“
Feiern können Sie 2021 auf jeden Fall: Denn seit genau 20 Jahren sind Sie im Motorsport aktiv. Wie haben Sie sich seit 2001 als Rennfahrer entwickelt?
„Wie als Mensch insgesamt, so bin ich in all dieser Zeit natürlich auch als Rennfahrer gereift. Früher war ich so ein kleiner, frecher Hitzkopf. Damals habe ich immer zu Uwe Alzen aufgeschaut. Für mich ist er heute noch ein echt starker Typ und toller Mensch. Als Rennfahrer hat Uwe sich oft mit seinen Vorgesetzten und Fahrerkollegen angelegt. Das fand ich früher echt cool und spannend. Doch ich habe gelernt: Auf diese Art kommst du im Motorsport nicht immer so weit, wie du kommen könntest. Ich glaube, für mich habe ich einen ganz guten Mix gefunden. Ehrlich zu bleiben und mich nicht zu verbiegen, gleichzeitig aber genau darauf zu achten und zu erkennen, wo die Grenzen sind.“
Foto: Gruppe C Photography